ANNÄHERUNG AN FELDENKRAIS
Es hat sich so ergeben.
Rückblickend betrachtet war das Thema Lernen und Unterrichten ein ständiger
Begleiter durch mein bisheriges Leben, auch zwischen mir und den Personen,
die mir wichtig waren.
Schon mein Vater diskutierte mit mir über die Frage, ob hochbegabte
oder lernschwache Schüler eher gefördert gehörten, als ich
Volksschülerin war, meine Mutter erklärte mir Unterrichtsmethoden
im Fremdsprachenunterricht, und brachte mir ganzheitliches Denken nahe. Mein
Bruder war mein erster Feldenkraislehrer, ohne daß jemand von uns von
dessen Existenz eine Ahnung gehabt hätte: wenn ich ihn ungeduldig bei
der Lösung einer Aufgabe um Hilfe bat, nervte er mich, indem er mir
Fragen stellte um mir zu zeigen, wie ich den Weg zu ihr selber finden könnte.
Seit meinem 14. Lebensjahr habe ich nicht aufgehört zu unterrichten.
Nachhilfe in Mathematik und Sprachen, Klavier während Schule und Universitätsstudium.
Mit der Zeit entstand, noch sehr unklar, eine Vorstellung von der Aufgabe
eines Lehrers.
Ich hatte das Glück, im Hauptfach an der Musikhochschule zu einem wahren Meister im klassischen Stil zu kommen, einem Meister, der alle Bereiche des Musik-Studiums abzudecken imstande war und ungeahntes Potential zum Leben zu erwecken. Die Gespräche mit meinem Lebenspartner und Ehemann über Pädagogik, nie versiegendes Thema, ein ständiger Lernprozeß, und mit meinen Kindern über Schule, Lehrer und Lernen, – nicht zuletzt meine Kinder haben dazu beigetragen, daß sich mein Blick geschärft hat für das, was mir wesentlich scheint: von den Schülern zu lernen, was ihnen helfen kann zu entwickeln, was in ihnen angelegt ist.
Als ich dann im fortgeschrittenen Alter auf die Feldenkrais-Methode kam,
ging eine Flut von unbekannten Türen auf, manche zögernd, manche
schlagartig, immer überraschend, und auf jede vermeintliche Antwort
folgte und folgt eine Unzahl neuer Fragen.
Kein „Weisheit letzter Schluß“. Durch geschärfte Wahrnehmung
erleben wir immer differenzierter unsere Gewohnheiten und erkennen, wo wir
Alternativen hätten, die uns bislang verborgen waren.
Feldenkrais verstand seine Methode als Weg Menschen zu mehr Würde zu
verhelfen, indem sie lernen ihre Wahl zu treffen und so ihre Befindlichkeit
selbst in die Hand zu nehmen.
Nach seiner Diktion:
„Wenn du nur eine Wahl hast, bist du wie ein Stein.
Wenn du zwei hast, bist du wie ein Lichtschalter.
Ab drei Wahlmöglichkeiten beginnst du Mensch zu sein.“
S.U., August 2004